Was wollen wir hinterlassen, wenn wir gehen

Videoarbeit, 2016, Dauer 10:17 min.

Link: https://vimeo.com/176650897

Was hinterlassen wir, wenn wir gehen?
Mein Großvater sagte einmal, er habe nichts zu vererben. Dann zeigte er auf die Bäume auf seinem Grundstück und sagte: „Doch diese da, sollen meine Erbbäume sein. Ich brachte sie als Setzlinge aus meiner Heimat und pflanzte sie hier. Bitte sorgt dafür, wenn ich nicht mehr bin, dass sie bleiben.“
Nach dem Tod meines Großvaters habe ich mich intensiv mit den Dingen und Gedanken beschäftigt, die er und andere hinterließen, als sie gingen.
Großvater hinterließ mir 10000 Glasampullen gefüllt mit 10ml Calciumlösung.
Ich fand sie unerwartet.
Eine Bergung verschollener Edelsteine.
Sie an Ort und Stelle zu reinigen und die Vergangenheit zurückzulassen, damit ich sie klar und rein zur Ostsee bringen kann, war unerlässlich für das Klären und Reinigen meiner Gedanken.
Ich hob sie auf, säuberte sie und brachte sie zum Meer. Dort zerbrach ich ihre Hüllen und gab den Inhalt frei.

Was tun wir mit dem uns überlassenen? Was werde ich fragmenthaft weitertragen? Wie wird sich das „vererbte“ mit jedem Schritt, jeder Stufe des Weiterreichens verändern?
Von Menschen extrahiert, modifiziert und in kleinen Portionen in diesen Glasgefäßen verschlossen, wartet das Calcium auf seine Aufgabe.
Indem ich mich den Ampullen annehme, stelle ich mich meiner Verantwortung gegenüber diesem Erbe. Doch breche ich mit dem Kreislauf der Vererbung und zerbreche die Ampullen und übergebe das gelöste Calcium dem offenen Meer. So kann das Calcium wieder in den eigentlichen Kreislauf aufgenommen werden. Nicht mein Calcium, sondern das aller.
Wir erben und vererben. Nicht nur (Wert-)Gegenstände, sondern Ideale und Verantwortung der Umwelt und die der nach uns Folgenden gegenüber.
Jede Generation scheint einen Groll auf die Vergangenen zu haben, was diese ihr hinterließen. Im Gegenzug will sie es anders – besser handhaben, für sich und die Neuen. Macht sie es besser? Was ist besser und wie gehen wir damit um?

Der Ozean ist der größte CO2 Speicher. Mehr als die Hälfte des anthropogenen – vom Menschen verursachtem – CO2 nimmt das Meer jährlich auf. Durch den ansteigenden CO2 Gehalt übersäuert das Meer, der pH-Wert sinkt. Dieser niedrige pH-Werte im Wasser beeinträchtigt den Kalkbildungsprozess, der für viele, vor allem wirbellose Meeresbewohner mit Kalkpanzer, wie etwa Muscheln, Korallen oder Seeigel, lebenswichtig ist. Kann Großvaters Calcium unser anthropogenes CO2 auffangen? Kann es den Meeresbewohnern eine neue Hülle geben?
Was kann dieser Berg an Ampullen bewirken? Ein Berg an Tropfen und Tränen.
Wir sind nicht nur dafür verantwortlich was wir tun, sondern auch dafür, was wir nicht tun. Ich werde nie wissen, was meine Taten letztendlich bewirken. Was bleibt ist der Willen, der Versuch und die Frage:
Was wollen wir hinterlassen, wenn wir gehen?